Erde

"Erde - Das Jubiläumsstück" von Karl Schönherr

Rittner Sommerspiele 2002

Erde - Das Jubiläumsstück

von Karl Schönherr

Der alte Grutz, ein harter Bauernschädel, will seinen Hof nicht übergeben und schon gar nicht sterben. Fast tritt ihn ein Roß ins Grab. Und was macht sein Sohn Hannes? Wird er endlich Bauer werden? Einmal hätte er schon eine Frau gefunden, Trine, jetzt wäre da die Mena. Höchste Zeit, daß sich was ändert, auf dem Grutzenhof, meint die Mena. Aber kaum schmilzt der Schnee, steht der alte Grutz vom Totenlager auf, zerhackt den Sarg, für den er selbst das Maß gegeben hat und ruft die Knechte zur Arbeit. Da bleibt seinem Sohn der Mund offenstehen, und seiner winterlichen Liebschaft, der Mena, bleibt bloß die Flucht dorthin, wo es für sie ein Stück eigener Erde gibt, und sei es eine Kleinhäuslerwirtschaft am Felsrand.

Regie: Claus Tröger

Karl Schönherr nannte seine Stück im Untertitel "Komödie des Lebens".
Ein mehrdeutiges und schwieriges Unterfangen! Einerseits eine "Tragödie der Verhinderten" und andererseits eine "Komödie des Lebenswillen"

Das Stück ist die dramatische Auseinandersetzung über das Schicksal, das unausweichliche Spannungsfeld zwischen Werden und Vergehen, zwischen Leben und Tod, es ist die Allgegenwart des Leides, der Not, der Ausweglosigkeit, der Bitternis und der Isolation; es ist der Zwang des Daseins. Es ist die unausweichliche tragische Brechung einer "Komödie des Lebens". Vergleichbar mit den Aussagen der Bilder von Albin Egger-Lienz! Dieser war – auch wie Schönherr selbst – ein Schilderer des Menschendaseins und bleibt aber gleichzeitig ein Mahner der Menschlichkeit. Diese "tragische Ausweglosigkeit" ist das Zitat für mein Regiekonzept. Gerade als Jubiläumsstück für Ritten und als "Widerholungsproduktion" nach fast 30 Jahren der Rittner Erstaufführung ist es Verpflichtung der Regie, einen neuen Ansatz in der Bild- und Personensprache für ein HEUTE zu finden. Es geht nicht um die Neuerfindung oder Umarbeitung eines wunderbaren Textgeschmeides sondern um dessen wirkungsvolle, spannende und lustvolle gegenwärtige Umsetzung.

Claus Tröger

"Wirf mirkeine Bodenständigkeit vor, laß mir die Scholle in Ruh und finde in meiner Wohnung, insbesondere nicht den allermindesten Erdgeruch!"

Mit dieser Aufforderung an einen Kritiker verwahrte sich Karl Schönherr (1867-1943), Schriftsteller, Arzt und Tiroler, gegen den Schollenmythos. So gab er seinem Schauspiel "Erde" den entlastenden und bezeichnenden Untertitel "Komödie des Lebens" als Orientierungs- und Verständnishilfe mit. "Erde" (uraufgeführt in kroatischer Sprache 1907, ein Jahr später deutsch und österreichische Erstaufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Wiener Burgtheater) ist zweiffellos eine der großen Tragikkomödien des europäischen Theaters: eine Tragödie der Verhinderten und zugleich eine Komödie des Lebenswillens, ein ironisches Satyrespiel um die zutiefst menschliche Anmaßung zeitlosen Besitzes. Ihr Sinnbild ist eine prachtvolle Gestalt des alten Grutz, eine Rolle, die von Josef Kainz bis Eduard Köck immer wieder die großen Menschendarsteller des Theaters gereizt und zur Auseinandersetzung gezwungen hat.
Aber auch die anderen Gestalten aus "Erde" sind mit faszinierender Kraft und großer Konsequenz geformt: Hannes, der vom übermächtigen Willen des Grutz bezwungene Hoferbe; Mena, die robuste Egoistin mit ihrer Gier nach dem eigenen Besitz; Trine, die vor der Zeit Gealterte, ausgelaugt im Warten auf das eigene Regiment auf dem Grutzenhof. Besonders die zwischen diesen dreien vom Autor gespannten Fäden ergeben ein ungemein dichtes und symbolhaltiges Netz ausweglos tragischer Verwicklungen, aus dem sich nur Mena zu lösen vermag. Gerade die Tatsache, daß der Zuschauer sich mit jeder von diesen Gestalten identifizieren kann, verleiht dem Stück jene tiefe Wahrheit, die es weit über bloßen Naturalismus hinaushebt und es zu dauerndem Bühnenerfolg geführt hat.

Dr. Inga Hosp