Mitterer-Sommer am Ritten

Mitterer-Sommer am Ritten

Die Rittner Sommerspiele in ihrem 45. Jahr

Ein Rückblick von Inga Hosp und Klaus Profunser

Die Rittner Sommerspiele in ihrem 45. Jahr

2 Gründe zum Feiern

2018 ist das Jahr der 45. Rittner Sommerspiele und des 70. Geburtstags von Felix Mitterer. Und es wird am Ritten auch wieder ein „Mitterer-Sommer“, der insgesamt fünfte: ein Anlass zu besonderer Freude für Sommerspiele-Obmann Andreas Baumgartner und seine Vorgänger (und Ehren-Obleute) Bruno Hosp (1973-1988) und Klaus Profunser (1989–2015) und ein guter Grund, im Sommerspiele-Archiv zu stöbern.

1986: „Besuchszeit“

Regie: Erich Innerebner

(Uraufführung Wien 1985)
Eigentlich wäre am Ritten für den Sommer 1986 die „Hammelkomödie“ von Gert Hofmann geplant gewesen, aber die Erkrankung von Regisseur Erich Innerebner zwang zu einem Griff ins Repertoire einer bereits bestehenden Innerebner-Inszenierung (für das Tiroler Landestheater Innsbruck in Koproduktion mit dem Ensembletheater Bozen). So kamen die Rittner Sommerspiele zu ihrem ersten Mitterer.
„Die Stückwahl „Besuchszeit“ ist wohl das Beste, was den Rittner Sommerspielen passieren konnte. Die Stärke der „Besuchszeit“ liegt im Stück selbst, aber auch die wirklichkeitsnahe Realisierung unter Regisseur Erich Innerebner und die ergreifende Leistung der acht Spieler – vier Männer, vier Frauen, auf jeweils zwei „tragische“ Paare aufgeteilt – leisteten den Beitrag zum großen Erfolg… - Das Publikum konnte kaum anders fühlen als: So ist es – leider.“ (Hartmann Gallmetzer, Tiroler Tageszeitung, 29.07.1986)
„Felix Mitterers Talent ist unter schwierigsten sozialen Verhältnissen herangewachsen. Der mit Sorgen und Problemen gefüllte Alltag einfacher Leute ist seine Welt… Dabei konnte er die Erfahrung machen, dass soziale Tabus weitgehend abgebaut sind, während sich das Heer selbsternannter Tugendwächter mobilisiert, wenn in die Hohlheit der Moral und hinter die Fassade religiösen Brauchtums geleuchtet wird.“ (Hugo Seyr, RAI-Sender Bozen, 28.07.1986)
Die für 1986 vorgesehene „Hammelkomödie“ wurde mit Erich Innerebner als Regisseur im folgenden Sommer aufgeführt.

1994: „Die Kinder des Teufels“

Regie: Rudolf Ladurner

(Urauff. München 1989)
Mit ihrem zweiten Mitterer-Stück in ihrem 22. Theatersommer betrieben die Rittner Sommerspiele zugleich ein wichtiges Stück Nachwuchspflege, denn neben ihren bewährten Stammdarstellern fanden sie im Rahmen eines Theater-Workshops mit Peter Mitterrutzner 13 Mädchen und Buben, die dann die eigentlichen Protagonisten des Stücks wurden. Für das „Casting“ meldeten sich so viele Interessierte, dass zwei „Teufelskinder“-Gruppen (für zwei Premieren) gebildet werden konnten. Aber die bereits für den Auftritt geschminkten und kostümierten Kinder und Jugendlichen schwärmten zum eigenen Gaudium und zur Irritation der ankommenden Zuschauer schon vor der Aufführung aus, um im Nahbereich des Kommendehofs und im Garten des Gasthofs Amtmann, atmosphärisch stimmig, Almosen zu erbetteln – und erlebten auf diese Weise, was es heißt, betteln zu müssen.
„Da steht man ganz schön schäbig da und fühlt sich allmählich auch so“, meinte Ulrike Vigl aus Oberbozen, und Julia Fulterer (heute Gemeindereferentin am Ritten) bekannte: „Die Scheu vor den Leuten habe ich gleich abgelegt, wir sehen ja alle richtig dreckig aus, und im übrigen haben wir ja alle dasselbe vor.“ - Maria Senn aus Klobenstein hatte als Erfolgsrezept ihre Handlesekunst: „Wenn man den Leuten etwas bietet, sind sie großzügiger“. - Spitzenreiter bei den Einnahmen war fast täglich Matthias Lun: „Ich denke, bei mir glauben die Leute, da könnte noch was zu retten sein, weil ich weniger verwahrlost ausschaue als die anderen“. So versuchte er, seine Gunst beim Publikum zu umreißen. „Matthias fing sich allerdings auch eine Ohrfeige ein“, gab Markus Oberrauch zu bedenken: „Ich habe mich gerade noch zurückziehen können. Viele Passanten hatten richtig Angst vor uns. Eine Frau, die gerade vom Auto aussteigen wollte, erlitt bei unserem Anblick geradezu einen hysterischen Anfall“. - Verena Buratti, die als erwachsene Schauspielerin den komplizierten Part der Magdalena Pichlerin übernommen hatte und bei den Bettelaktionen hautnah dabei war, berichtete: „Was man sich da alles anhören muss, ist beachtlich, man solle doch arbeiten gehen und das Streunen lassen, war noch der geringste Angriff. Einer hat mir 10.000 Lire zugesteckt und mich vor Drogen gewarnt.“
Felix Mitterer schrieb den Sommerspielern ins Programmheft: „Immer schon hat es mich nach Südtirol gezogen, in diese wunderbare Landschaft, zu diesen begabten, künstlerischen Menschen. Nach Besuchszeit im Jahre 1984 darf ich mich darüber freuen (Dank an Inga Hosp), dass „Die Kinder des Teufels“, dieses schwierige Stück über Kinderverfolgung, heuer im Sommer am Ritten gewagt wird. Mit dem Regisseur Rudi Ladurner bin ich ohnehin schon durch seine Uraufführungsinszenierung von Sibirien, vor allem aber durch das „Munde“ - Abenteuer untrennbar verbunden. Ich hoffe, dass wir noch viel miteinander machen werden.“

1999: „Stigma“

Regie: Peter Mitterrutzner

(Uraufführung Telfs 1982)
Felix Mitterer im Programmheft-Vorwort: „Dass nun „Stigma“ am Ritten kommt (die erste Tiroler Aufführung seit 1982), freut mich sehr. Zum einen gibt es eine langjährige Verbindung und Freundschaft mit den Leuten von den Rittner Sommerspielen, zum anderen war die Hauptfigur des Stückes, die Moid, für mich immer eine Südtirolerin. Das hat nicht nur damit zu tun, dass unter anderen auch die stigmatisierte Maria Mörl von Kaltern (1812-1868) ein Vorbild für meine Heldin war, sondern auch mit meinem Gefühl, dass die Tiefe, die Innigkeit einer solchen leidenschaftlichen Hingabe eher in Südtirol als in Nordtirol möglich ist.
17 Jahre sind vergangen, seit der denkwürdigen Aufführung von „Stigma“ damals 1982 bei den Tiroler Volksschauspielen in Telfs, ein gutes Beispiel für die Manipulierbarkeit von Menschen. Niemand noch hatte das Stück gelesen oder gar gesehen, und doch gab es eine Flut aus Protesten und Flugblättern, von Schmähbriefen, Anzeigen und Bombendrohungen. Blasphemie und Pornographie wurde mir vorgeworfen. Ein einziger Mensch (ein sogenannter „Pornojäger“, ein rechtsradikaler Fundamentalist) hatte es zustande gebracht, die Menschen derart aufzuhetzen. Nach der Premiere brach alles in sich zusammen. Das Publikum war berührt, die Zeitungsleute – die Skandale lieben - waren hingegen enttäuscht. Viele, die damals gegen ‚Stigma‘ auftraten, zählen heute zu den treuesten Besuchern meiner Stücke. Und heute, 1999, wäre so ein künstlicher Skandal auch nicht mehr möglich, denn die Leute lassen sich nicht mehr so leicht manipulieren.
Bis heute ist mir 'Stigma' das liebste unter meinen Stücken. Eine große, gleichzeitig schlichte Erzählung über Liebe, über Sehnsucht, über Gerechtigkeit und auch über die bis heute andauernde Stellung der katholischen Amtskirche zur Frau.“
Auch am Ritten gab es im Vorfeld harte Debatten über die Stückwahl. Im Vordergrund stand die Frage, ob man dieses sogenannte Skandalstück im ehrwürdigen Ensemble der Deutschordenskommende dem treuen Publikum der Rittner Sommerspiele überhaupt zumuten dürfe. Bis heute gab es nie mehr so viele, harte und kritische Diskussionen um ein Stück. Die Medien überschlugen sich mit Berichten: Felix Mitterers „Stigma“ stelle Kirche, Staat und Gesellschaft an den Pranger. Dem Pfarrer von Lengmoos war‘s auch zu viel. Im Pfarrblatt protestierte er gegen die „Stigma“- Aufführung und empfahl den Gläubigen, das Stück nicht zu besuchen, weil es auf einem negativen Priesterbild basiere und allgemein überflüssig sei. Die Resonanz darauf war wiederum so gewaltig, dass nun erst recht alle das Stück sehen wollten. Es gab einen Zuschaueransturm, wie ihn die Rittner Sommerspiele so nicht mehr erleben sollten.
Peter Mitterrutzner war der Motor des Projekts „Stigma“, führte Regie und holte sich die Grödnerin Marina Demetz, (die „Pachler-Zottl von 1981) als Idealbesetzung für die Rolle der stigmatisierten Moid, dazu Paul Demetz, Lukas Lobis, Christian Alton sowie Agnes Mair und Florian Gamper vom Ritten, dazu viele Rittnerinnen und Rittner in kleineren Rollen.

2005: „Die Frau im Auto“

Regie: Claus Tröger

(Uraufführung Linz 1998)
Den Stoff (eine reale Geschichte über eine böse Familienkabale samt hungerstreikender Mutter) hatte Felix Mitterer schon lang im Kopf gehabt. Nachdem er das Stück in freier Behandlung der Geschichte geschrieben hatte, kam es zwar zur Premiere in Linz, danach aber nur noch zu Querelen – und zu keiner weiteren Aufführung. In seiner 2018 erschienenen Autobiographie „Mein Lebenslauf“ erzählt Felix Mitterer:
Es gab dann doch noch eine Aufführung. Im Jahr 2005 spielte Julia Gschnitzer ‚Die Frau im Auto‘ bei den Rittner Sommerspielen in Südtirol. Hier mussten wir den aufgebrachten ‚guten‘ Sohn nicht fürchten, denn die italienische Polizei hatte einen Haftbefehl wegen verbotener Südtirolaktivitäten gegen ihn, und so wagte er es nicht, die Grenze zu überschreiten. Mir tut der Mann leid. Seiner Mutter und ihm war gewiss großes Unrecht widerfahren. Durch all die Probleme und Gerichtsverfahren musste er Konkurs anmelden, und auch seine Frau hatte ihn verlassen. Ich sperrte das Stück.
Am Ritten spielte neben Bruno Hosp (der für seine Rolle auf den Bürgermeistersessel zurückkehrte) auch die große Tiroler Schauspielerin Julia Gschnitzer, die – nach den drei Tiroler Klassikern „Frau Suitner“ 1976, „Sonnwendtag“ 1982 und „Volk in Not“ 1984 – zu einer weiteren Hauptrolle auf den Ritten zurückgekehrt war und dieser schwierigen Partie der widerspenstigen, anarchischen Mutter zweier gegensätzlicher Söhne all ihre Meisterschaft widmete. Bei der Premiere, zu der auch Felix Mitterer angereist war, gab es eine halbstündige Regen-Unterbrechung. Julia Gschnitzer überstand sie ganz rollengemäß in „ihrem“ Auto.

2011: „Der Held aus dem Westen“

von John Millington Synge, übersetzt und ins Tirolerische anverwandelt von Felix Mitterer; Regie: Gerd Weigel.

(Uraufführung 1999 Wien, Tiroler Fassung 1999 Telfs)
„Der Held aus dem Westen“ stand schon länger auf dem Wunschzettel der Rittner Sommerspiele, und der ländlich-herb-trockene irische Humor passte bestens in die Kommende. Für die Regie konnte, schon zum dritten Mal, Gerd Weigel gewonnen werden.
Der Dramatiker John Millington Synge hat seinen Landsleuten aufs Maul und ins Hirn geschaut. Er schrieb: „In ‚The Playboy of the Western World‘ habe ich, wie auch in meinen anderen Bühnenstücken, nur wenige Worte benutzt, die ich nicht unter dem irischen Landvolk gehört oder in meiner eigenen Kinderstube gesprochen habe, ehe ich noch lesen konnte, und ich bekenne mit Freuden, wie viel ich der urwüchsigen Phantasie dieses prachtvollen Menschenschlages verdanke.“
Auf ein solches Stück musste einer wie Felix Mitterer fast zwangsläufig stoßen:
„Einer der Gründe, eine Zeitlang nach Irland zu gehen, war auch meine Verehrung der irischen Schriftsteller und Dramatiker. Beinah jeder Ire ist ein Poet, ist ein Sänger und Tänzer, in jedem Pub kann man Zeuge werden der Beredsamkeit und Phantasie dieses Volkes, an jeder Bushaltestelle werden einem Geschichten erzählt.“ (F.M., Mein Lebenslauf, S.328)
Nach der Premiere am Ritten meinte Felix Mitterer: “Ich habe mir das Volksstück drei Mal in Irland angeschaut, diese Aufführung hat sogar jene von Telfs des Jahres 2000 übertroffen.“
Denkwürdig für den Autor war dann auch die Premierenfeier im Kommendehof, bei der Mitterer von Obmann Klaus Profunser gebeten wurde, mit der Motorsäge die 100-Kilo-Premieren-Mortadella anzuschneiden. Zuerst ein wenig konsterniert, machte Felix dann doch zum Gaudium von Theaterleuten und Ehrengästen den Spaß mit – und war schließlich unter den letzten Feiernden, die heimgingen.

Felix Mitterer bei den Rittner Sommerspielen

Bekanntlich begann Felix Mitterer seine Arbeit fürs Theater 1977 mit „Kein Platz für Idioten. Volksstück in drei Akten“. Im Rollenverzeichnis Gendarm, Wirt/Bürgermeister, Wärter, Touristen, Einheimische, alte und junge, und „der Idiot“. Der Rahmen war ganz traditionell. So kamen auch die zahllosen Schwänke der zahllosen österreichischen und bayerischen Laienbühnen daher. Nur war der „Idiot“ nicht die gewohnte Schwankfigur eines Dorfdeppen, denn durch Mitterers Figur (und Darstellung) wurde die Dorfgesellschaft in all ihrer falschen Biederkeit sauber demaskiert. Das war neu und geriet wider Erwarten des Autors zum vielbeachteten Erfolg, auch deswegen, weil dieser Autor keine blutleeren Thesenstücke schrieb, sondern „saftiges“ Theater mit Biss, weil da jetzt wieder einer schrieb, dem eine Tiroler „Theaterpratzn“ zu eigen war, etwas Schönherrisches sozusagen.

Im 50 Positionen starken Werkverzeichnis von Felix Mitterer (im Anhang seiner heuer erschienenen Autobiographie „Mein Lebenslauf“) steht der erste Mitterer der Rittner Sommerspiele chronologisch auf Platz 5: „Besuchszeit“, 1986, schon ein Jahr nach der Uraufführung  im Theater „Tribüne“ in Wien. Die vier Einakter sind also ein früher Mitterer, aber ein wichtiger, der gleich wie der Bühnenerstling kritisch auf die Zustände im Dorf schaute, aber nicht mit papierenen Sprechblasen-Figuren, sondern mit Rollenfiguren, die ein individuelles  L e b e n  hatten, mehr noch: ein Leben wie das der Zuschauer, mit allen Facetten von fein bis gemein. „Realistische Dialoge mit sauberen Sätzen voll unsauberer Gefühle… nichts Besonderes, das ist die alltägliche Gewalt, das sind alltägliche Einakter, Felix Mitterer schreibt für alltägliche Zuschauer.“ (Michael Skasa)

Dass wir die bereits bestehende „Besuchszeit“- Inszenierung Erich Innerebners 1986 für den Kommendehof haben konnten, war  u n s e r  Glück im Unglück des damals schwer erkrankten Erich Innerebner, bei dem wir für jenen Sommer bereits die „Hammelkomödie“ in Auftrag gegeben hatten (die dann im nächsten Jahr kam). Für mich war dieser erste Mitterer eine besondere Freude, weil ich mich seit meiner Wiener Dissertation mit dem österreichisch-bayerischen Volksstück und seinen Attituden im Spannungsfeld von Stadt und Land beschäftigt hatte: mit all den Versuchen, die sozialen Zustände am Land ohne Schönfärberei auf die Bühne zu bringen (von Carl Morré und Ludwig Anzengruber über Ludwig Thoma und Josef Ruederer, über Kranewitter und Schönherr bis zu Lautensack, Sperr und Kroetz).

An Mitterer war zu sehen, dass das Theater auch in der verlotterten Schwank-Statur des Volksstücks in der Lage sein konnte, den gesellschaftlichen Wandel weiter mitzuschreiben. Da war zu sehen, wie „das Land“ verstädtert und die Stadt sich mit Ländlichem schmückt, wie die Gegensätze verschwimmen. Und nicht mehr hat nur „die Stadt“ mit Grundstücksspekulanten und Fremdenverkehrsstrategen aufs Land übergegriffen und dort einige Betroffene infiziert. Das Land hat (und zeigt) nun seine eigene Unmenschlichkeit, seine eigene Borniertheit, sein eigenes Elend. Das Bauerndorf ist endgültig rückgegliedert in die gesamtgesellschaftliche Situation. Es ist nicht mehr Gegenbild zur Stadt noch Sinnbild eines einfachen, aber ganzheitlichen Lebensgefühls. Verstörung ist nun überall.

Für die Rittner Sommerspiele war der „Auftritt“ Felix Mitterers im Kommendehof Lengmoos eine geradezu ideale Wegmarke. Volkstheater „nicht ohne literarischen Anspruch“ war ja seit dem ersten Sommer 1973 unser Programm. Und das war auch immer meine Idee: Volkstheater mit zeitlosen und zeittypischen Figuren über elementares menschliches Verhalten, so dass es dann im besten Fall doch wieder Welttheater wäre, nur nicht in dessen „großem Ton“, sondern in Mundart, wo Laiendarsteller immer noch am besten sind.

Und noch dazu „hatten“ wir genau diese Darsteller: Ich nenne nur Peter Mitterrutzner (den aus den Rittner Sommerspielen erwachsenen genialen Laiendarsteller, der zum Volksschauspieler geworden ist) und Julia Gschnitzer (die Kammerschauspielerin, die gleichwohl eine große Volksschauspielerin ist) – sie beide für alle – die nicht nur so irgendwie einen Mitterer-Ton „drauf“ hatten und haben, sondern seine Gestalten leibhaftig verkörpern können! Er habe beim Schreiben ja eh immer Bilder von Figuren vor sich, und es mache ihn nicht nur zufrieden, sondern glücklich, wenn die Darsteller seine Bilder dann lebendig machen.

Mit diesem „Pfund“ haben wir bisher vier- eigentlich sogar fünfmal wuchern dürfen, nach „Besuchszeit“ (1986) bei „Die Kinder des Teufels“ (1994), bei „Stigma“ (1999) und bei „Die Frau im Auto“ (2005), wohl auch bei Synge-Mitterers „Der Held aus dem Westen“ (2011).

(Außerdem hat Peter Mitterrutzner übrigens auch noch für das Kuratorium Kommende Lengmoos Mitterers dramatischen Monolog „Sibirien“ in der Kommende gespielt.)

Ich glaube, Felix hat sich schon bald nach „Besuchszeit“ bei den Rittner Sommerspielen und im Kommendehof freundschaftlich aufgehoben, darüber hinaus am Ritten irgendwie „heimisch“ gefühlt. Er hat sich sogar vorstellen können, für seine Rückkehr auf den Kontinent nach seinen 15 Jahren in Irland den Ritten zu wählen, wenn das passende Objekt zu finden gewesen wäre. Wann immer es ihm möglich war, hat er die Premiere oder irgendeine Aufführung seiner Stücke am Ritten besucht und dann auch die persönliche Freundschaft zu unserer Familie wieder aufgefrischt. So kam es auch, dass wir ihn während eines unserer Irland-Urlaube der Neunzigerjahre in Castlelyons im County Cork besuchten. Das 200 Jahre alte Georgian House mit den großen Fenstern und stattlichem Park im hügeligen grünen Süden der Insel war von Felix als ideal empfunden worden für einen, der vom Land kam und gern aufs Land zurück wollte, aber auch relativ nahe zur Stadt Cork, zu ihrem Flughafen und zur Küste wohnen wollte.

Das Haus hatte eine wechselvolle Geschichte mit skurrilen Vorbewohnern, das Dorf hatte freundliche Einheimische, die den Dichter schon deshalb freundlich aufnahmen, weil sie sich nach irischer Manier ohnehin alle für Dichter hielten. „Wunderbar! So war ich nichts Besonderes, sondern sogleich einer von ihnen“, schildert Mitterer in „Mein Lebenslauf“ den irischen Genius, den er schon in seiner ersten Irland-Phase in Dublin kennengelernt hatte: „Stehst du an einer Bushaltestelle und es erscheint ein Ire, wird er dir seine Lebensgeschichte erzählen. Erzähl ihm auch deine, er erwartet das. Zeit hast du genug, der Bus kommt ohnehin etwas später. Außerdem ersparst du dir dadurch den Psychotherapeuten. Die Wegweiser weisen alle in die falsche Richtung. Aber wo immer du auch in Irland hinfährst, du wirst schon am richtigen Ort landen. Und überall willkommen sein.“

Es wäre ein Wunder gewesen, wenn Felix Mitterer nicht seinerseits auf irische Theaterstücke reagiert hätte. Der Autor, der ihn dazu reizte, war John Millington Synge (1871 – 1909), der auf den entlegenen westirischen Aran-Inseln seine Stoffe gefunden hatte und daraus auch sein berühmtestes Stück „The Playboy of the Western World“ (1907) destillierte. Vom „Irish brogue“, der englisch-keltischen Umgangssprache Irlands ausgehend, übersetzte Mitterer das Stück ins Tirolerische, um „dem Stück möglichst wenig von seiner Lebendigkeit, von seiner poetischen Kraft und seinem Humor wegzunehmen“.

Die Rittner Sommerspiele haben „Der Held aus dem Westen“ mit großem Erfolg in der Regie von Gerd Weigel 2011 im Kommendehof aufgeführt (wie übrigens schon 1989 ein weiteres Synge-Stück, „The Well of the Saints“, unter dem Titel „Liebe soll blind sein“ in der Regie von Peter Mitterrutzner und 2003 „Einsamer Westen“ von Martin Mc Donagh in der Regie von Claus Tröger). Und genau das, was Felix Mitterer irischen Stücken zugute hält – „Je tragischer, umso komischer!“ – lässt sie auch so gut zu unserem Grundanliegen passen.

Schon bald nach seiner Ankunft in Irland, noch in Dublin, schrieb Felix Mitterer im Winter 1995/96 ein Stück, auf dessen Thema ihn Otto Schenk gebracht hatte: „In der Löwengrube“, das dann aber Anfang 1998 nicht an Schenks Theater in der Josefstadt, sondern bei Emmy Werner am Volkstheater uraufgeführt wurde. Die Uraufführung mit Erwin Steinhauer in der Hauptrolle hatten wir gesehen und ihren Erfolg miterlebt.

Wieder einmal wie so oft bei Mitterer eine riskante „wahre Geschichte“, die Geschichte des jüdischen Schauspielers Leo Reuss, der als Tiroler Bergbauer Kaspar Brandhofer bei Max Reinhardt in Salzburg vorspricht, weil er unbedingt Schauspieler werden will und von diesem nach Wien an die Josefstadt weiter empfohlen wird, dort als „Naturtalent“ riesigen Erfolg hat, von einem ehemaligen Kollegen erkannt und enttarnt wird und schließlich dem empörten Theaterdirektor seine wahre Identität eingesteht.

Erst heuer im März, 20 Jahre nach der Uraufführung, ist nun „In der Löwengrube“ an seinem ursprünglichen „Bestimmungsort“, dem Wiener Theater in der Josefstadt, angekommen und von Regisseurin Stephanie Mohr als Theater-Gabe zu Mitterers 70. Geburtstag und zum „Heimholungs“-Frühling 1938 zu aktueller Wirkung gebracht worden.

Umso schöner, dass nun, im 45. Sommer der Rittner Sommerspiele, ebenfalls zu Felix Mitterers rundem Geburtstags-Jahr, dieses idealtypische Mitterer-Stück in den Kommendehof kommt! Lieber Felix, wir freuen uns mit Dir - und auf Dich!

Inga Hosp